29.07.2010

Darf Entwicklungspolitik ein Bestandteil deutscher Wirtschaftsexpansion sein? Ein Kommentar.

Im Interview mit dem Handelsblatt kündigt Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) an, die private Wirtschaft stärker in die Entwicklungspolitik einbeziehen zu wollen: "Wir haben bestimmte Standards, weil unsere Entwicklungspolitik wertorientiert ist. Von diesen Standards weichen wir nicht ab. Entwicklungspolitik darf aber auch interessengeleitet sein, solange die Werte im Vordergrund stehen."

Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) liegt dieses Jahr bei über 10 Milliarden Euro. Dieses Kapital ist sowohl bei den Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit (GTZ, Inwent, DED - zukünftig GIZ) als auch bei Regierungen von Entwicklungsländern begehrt. Und nicht nur dort - Konzerne und Beratungsfirmen profitieren ebenfalls von den Geldern, wenn sie Kraftwerke in Afghanistan bauen, Schulen in Uganda oder Projektpläne für Demokratisierung eines Landes erstellen. Dass ein großer Teil der Millionenbeträge in den Taschen korrupter Eliten und Konzernen verschwindet, ist eine Folge mangelnder, demokratischer Kontrollinstanzen - wie u.a. von der Antikorruptionsorganisation Transparency International bereits seit langem bemängelt wird.

Wenn das Ziel von Entwicklungshilfeprojekten nicht mehr darin besteht, die Menschen beim Aufbau einer tragfähigen Zivilgesellschaft zu unterstützen, sondern der heimischen und internationalen Wirtschaft - auch in der Form von Public Private Partnerships - lukrative Aufträge zu bescheren, dann bleibt die von Niebel zitierte "Wertorientierung" auf der Strecke. Beobachtbar ist dies sowohl in Afghanistan, wie auch im Irak: regierungsnahe, vor allem US-amerikanische Konzerne sackten Milliarden für den Wiederaufbau ein.

"Die Beteiligung von mittelständischen Unternehmen an unseren Projekten ist Bestandteil des Koalitionsvertrags. Die Mittel für solche "Public Private Partnerships" habe ich gerade von 48 Mio. Euro auf 60 Mio. Euro erhöht. Ich war gerade in Ägypten, auch mit Werner Schnappauf vom BDI. (...)" (Dirk Niebel, FDP)

Die Nehmerländer der Gelder müssen bestimmte Bedingungen erfüllen, z.B. Menschenrechte einhalten, die Bevölkerung am politischen Prozess beteiligen, aber auch eine "marktfreundliche Wirtschaftsordnung" bieten. Mit anderen Worten: die Märkte der Nehmerländer müssen sich ausländischen Investoren öffnen, während die Geberländer ihre eigenen Wirtschaftszweige durch Zölle vor den Produkten der Nehmerländer schützen. Ein gutes Beispiel: die EU-Agrarsubventionen in Höhe von jährlich 40 Milliarden Euro.

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat schon immer Interessen des deutschen Staats verfolgt, und nicht die im globalen Kontext gerechteren, nachhaltigeren und sinnvolleren. Die Wirtschaftsnähe und der Marktradikalismus der Liberalen könnte nun aber dazu führen, dass Entwicklungszusammenarbeit künftig nicht mehr als Gegengewicht deutscher Außenwirtschaftspolitik fungiert, sondern Teil einer Expansionsstrategie wird, die Problemursachen verschärft, statt ihnen entgegenzuwirken. [CB]

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